Wie Sie sich und Ihrer Krankenkasse viel Geld sparen

Neulich kam meine Tante auf mich zu und beklagte sich, dass sie seit neuestem jeden Monat 49 Euro für ihre neuen Herzmedikamente zahlen müsse. Das sei zu wenig, um an eine Zuzahlungsbefreiung zu kommen, aber in der Apotheke habe man ihr nur gesagt, dass Ihre Krankenkasse einfach keinen Rabattvertrag habe. Nein, meine Tante ist nicht privat versichert, und es handelt sich auch nicht um alternativmedizinische Kristallsalze: Meine Tante als Versicherte bei der Techniker Krankenkasse sollte jeden Monat 49 Euro für ein bisschen schnödes Olmesartan bezahlen. Was ist Olmesartan? Ein nicht ganz neuer Blutdrucksenker aus der Gruppe sogenannter Sartane, Standardpräparate und schon so lang auf dem Markt, dass sie schon lang nicht mehr unter Patentschutz stehen. Für solche Medikamente sollte keine und kein gesetzlicher VersicherteR in Deutschland auch nur zuzahlen müssen, so billig sind ihre Herstellung und Vertrieb als Generikum.

Jetzt kommt aber dazu, dass es unzählige Sartane gibt – Candesartan, Valsartan, Losartan, um nur einige zu kennen, und für jedes dieser vielen Sartane gibt es wiederum dutzende von Generika-Herstellern. Selbst für eine große Krankenkasse wie die AOK macht es keinen Sinn, für jedes erdenkliche Sartan mit jedem erdenklichen Hersteller Rabattverträge auszuhandeln – ist ja auch aus medizinischer Sicht nicht notwendig, wenn sich nahezu alle Sartane in Wirkung und Nebenwirkungsprofil gleichen. Aus Sicht der AOK reichen ungefähr 30 Rabattverträge für Candesartan und Losartan völlig, um ihren Versicherten mit zuzahlungsfreien Sartanen zu versorgen.

Das Problem sind jetzt die verschreibenden Ärzte: Auch noch für jeden Patienten zu bestimmen, für welche Sartan-Herstellerkombination die jeweilige gesetzliche Krankenkasse einen Rabattvertrag bereit hält, übersteigt das, was ÄrztInnen unter Zeitdruck leisten können. Vor allem, wenn sich diese Rabattverträge auch noch fast jedes Jahr ändern. Hier könnte eigentlich die Stunde der Apotherkerinnen schlagen: Sie haben die Zeit und die Ressourcen, und könnten jeden Versicherten beraten, welches Sartan für ihn das billigste wäre. Aber wenn meine Tante mit einem Olmesartan-Rezept vorbeikommt, und die TK hat mit keinem einzigen Hersteller einen Rabattvertrag für Olmesartan, dann kann ihr der Apotheker nur das günstigste heraussuchen, er darf das Rezept aber nicht in ein Candesartan- oder Losartan-Rezept umwandeln.

Was ich meiner Tante dann riet: Sie ging am nächsten Morgen zur Apothekerin und ließ sich von dieser aufschreiben, für welche Sartane ihre Krankenkasse Rabattverträge abgeschlossen hat (alternativ kann man das auch selbst googlen). Mit diesem Zettel ging sie zu ihrer Hausärztin, die ihr drei Packungen zuzahlungsfreies Candesartan verschrieb. Meine Tante hat seitdem keinen einzigen Cent für ihre Sartan-Therapie bezahlt.

Die 49 Euro, die sie bis dahin pro Monat ausgab? Komplett sinnlos, und eines von vielen Beispielen, wie in unserem Gesundheitssystem an den falschen Stellen Geld von Patientinnen und Patienten geradezu sinnfrei pulverisiert wird, während wir andererseits unsere Pflegenden in Klinik und ambulant ausbeuten – aus Geldmangel.

Warum es nur wenige Whistleblower in der Medizin gibt

Da ist ein diffuses Unwohlsein in dieser Gesellschaft. Die vielen einzelnen Skandale von gefälschten Medikamententests bis zu bestochenen Herzchirurgen, der schlechte Ruf von Arzneimittelherstellern, die unmenschlichen Erfahrungen, die Bekannte und Familie in katastrophal organisierten Kliniken gemacht haben: Sie fühlen sich an wie die Spitze eines Eisbergs aus Korruption, Geldgier und Menschenverachtung. Gleichzeitig aber genießen ÄrztInnen bei uns immer noch das höchste gesellschaftliche Ansehen und wird ihnen hohe Glaubwürdigkeit bescheinigt. Diese Diskrepanz, gemischt mit der Unmöglichkeit, sich ein unabhängiges, objektives Bild zu verschaffen, kreieren eine ambivalente Haltung dieser Gesellschaft zu ihrer Medizin: Wenn man sich als PatientIn in eine Klinik begibt, ist die Hoffnung, dass man zufällig an eine gute Abteilung geraten ist genauso groß wie die Angst, gutgläubig in eine fremdbestimmte Spirale aus Fehlbehandlungen und Pfusch zu geraten, aus der man gebrochen und für das Leben gezeichnet erst wieder hinausgelangen wird. Was aber ist wahr? Niemand weiß es, weil es keine Transparenz gibt.

Diese fehlende Transparenz ist eines der größten Probleme unseres Gesundheitswesens: Nur weil es ein hochkomplexes System mit unglaublich vielen Beteiligten ist, können sich in diesem Dickicht viele sicher sein, dass ihr Fehlverhalten unentdeckt bleibt. Wo viele Beteiligte sind, kann vielen die Schuld zugesprochen werden, können Geldströme sehr komplex umgeleitet werden und braucht es einen enormen Arbeitsaufwand und große externe Expertise, um durch diesen Dschungel überhaupt durchsteigen zu können. Letztere jedoch fehlt: Es gibt in Deutschland nur eine einzige Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Gesundheitswirtschaft, dabei arbeiten allein 10% aller deutschen Angestellten in diesem Bereich. Auch die Zahl der JournalistInnen auf diesem Gebiet, die nicht für brancheneigene Medien wie das Ärzteblatt arbeiten, ist erstaunlich gering. WhistleblowerInnen könnten hier vielleicht Abhilfe schaffen, aber von ihnen gibt es nur sehr wenige in der Medizin. Warum ist das so?

1) Wenn jemand wie Edward Snowden Dokumente leakt, dann muss er sich keine Gedanken darum machen, dass er die ärztliche Schweigepflicht verletzt. Viele Missstände in Kliniken lassen sich nur mit Dokumenten belegen, die hauptsächlich sensible Patienteninformationen beinhalten. Wenn ein Chefarzt beispielsweise auf dem Papier an einem Vormittag vier PrivatpatientInnen abrechnet, obwohl er nur ein oder zwei tatsächlich in dieser Zeit operieren kann, dann braucht man die OP-Pläne des entsprechenden Tages, um das belegen zu können. Es ist oft nicht möglich, als Whistleblower aus solchen Dokumenten alle sensiblen Patienteninformationen zu entfernen, ohne dass das Dokument dadurch seine Aussagefähigkeit verliert. Wenn er oder sie das jedoch nicht tut, dann macht er sich schuldig des Verletzens der ärztlichen Schweigepflicht. Auch deswegen kuriseren so viele Horrorgeschichten aus deutschen Kliniken, die sich jedoch nicht belegen lassen – und damit für Justiz und Presse unbrauchbar bleiben.

2) Das Gesundheitssystem ist nicht nur hochkomplex, sondern auch einer der Wirtschaftssektoren mit den starresten Hierarchien. Universitätsprofessuren und damit die sogenannten Meinungsführer werden in einem vorsintflutlichen System der Berufungen bestimmt, in denen jahzehntelange Seilschaften, gefälschte OP-Statistiken und geheime Telefonate mehr entscheiden als Qualifikationen und Ausbildung. Die so bestimmten Professuren sind dann jedoch unkündbar – selbst wenn ein Chefarzt Patienten mutwillig die Behandlung verweigert kann er nicht seine Professur verlieren – dafür müsste er schon einen Mitarbeiter vergewaltigen. Wer denkt, dass wenigstens an kleineren Krankenhäusern andere Sitten herrschten: Nun, das ist nur teilweise richtig – auch die dortigen Chefs werden primär von den Professoren der Universitätskliniken bestimmt: Chefarzt an einem sogenannten „peripheren“ Krankenhaus wird man im Regelfall auch nur, wenn man vorher Oberarzt an der Uniklinik war, schon die Bewerbung muss einem von seinem Professor erlaubt werden. Zusätzlich sind die meisten kleinen Krankenhäuser verpflichtet, die Zustimmung des nächsten  Universitätsklinikums einzuholen, wenn sie einen neuen Chefarzt einstellen wollen.

In einem solchen System, in dem eine kleine Elite von zu 90% männlichen UniversitätsprofessorInnen bestimmen kann, was in allen anderen Kliniken in Ausbildung und PatientInnenversorgung geschieht, kann man sich nicht gegen einen solchen Professor auflehnen, ohne danach „völlig verbrannt“ zu sein. Es gibt nicht wenige ÄrztInnen in leitender Funktion, die dieses System der gegenseitigen Abhängigkeiten in vertraulichen Gesprächen als mafiös bezeichnen. Das Ausmaß der gegenseitigen Abhängigkeiten ist so groß, dass man sogar im Regelfall Gefälligkeitsgutachten schreibt, wenn man eine Forschungsarbeit eines Kollegen oder einer Kollegin begutachten soll, deren Daten offensichtlich gefälscht sind. Extrem heikel wird es, wenn man Gutachten in Kunstfehlerprozessen gegen einen Kollegen schreiben muss – die Angst, in die Ungnade dieses Kollegen zu fallen ist zehnmal größer als die fast nicht vorhandene Befürchtung, einem Patienten oder einer Patientin Unrecht zu tun.

3) Es gibt genug Beschäftigte im Gesundheitswesen, die unter diesen Umständen leiden. Wer jedoch einmal gesehen hat, wie Mitarbeiter, die sich einmal kritisch geäußert haben, im Anschluss daran zerstört wurden und im gesamten System keinen einzigen Job mehr fanden, dann erstickt jeder Wunsch nach Gerechtigkeit. Resignierende Sätze wie „Manche Probleme in diesem Gesundheitssystem sind so groß, dass man sie als Einzelner nicht auf seine Schultern nehmen kann. Das kann nur eine gesamte Gesellschaft tun.“ sind häufig. Deswegen: Liebe Gesellschaft, tut etwas. Denn wir können es nicht.

Neun gute Gründe, warum du nicht Medizin studieren solltest.

Ja, wir haben es auch gemacht: Wir haben auch Medizin studiert. Wir waren auch naiv und haben nicht auf jene ÄrztInnen gehört, die uns das damals ausreden wollten. Hier ist unser Versuch, euch deutlich zu machen, warum ein Medizinstudium in vielen Fällen eine folgenschwere Entscheidung und unter Umständen eine große, sich erst spät auflösende Illusion ist.

1) An der Uni selbst ist es noch ganz nett: Du darfst sehr lang StudentIn sein, viel länger als all deine Freunde mit ihren irrsinnig kurzen Bachelor-Studiengängen. Nach der Vorklinik ist Studieren auch nicht einmal mehr stressig – abgesehen von akuten Psychosen im Physikum und dem normalen Hypochondrismus kommt man durch ein Medizinstudium in den allermeisten Fällen relativ entspannt und ohne große intellektuelle Anstrengungen durch – auch wenn man an dieser Stelle nicht jene vergessen sollte, die bereits im Studium schwer erkranken.

Sobald du jedoch arbeitest wirst du merken, dass du deinem Chef auf Gedeih und Verderb ausgeliefert bist: Um einen Facharzt zu bekommen, muss dein Chef dir das Absolvieren der verschiedenen Ausbildungsinhalte bescheinigen. Wenn er dich aus welchen Gründen auch immer mag, bescheinigt er dir Arbeitserfahrung, die du nie gemacht hast. Wenn er dich hasst, dann zeichnet er dir nicht einmal das ab, was du jahrelang, Tag für Tag gemacht hast. Ja, natürlich kannst du auch kündigen, aber wenn du dir die bislang gearbeitete Zeit für einen Facharzt anrechnen lassen willst, dann muss dein alter Chef dir zumindest noch so weit gewogen sein, dass er die bislang erfolgten Ausbildungsabschnitte bescheinigt. Andernfalls fängst du wieder von vorne an. Das erklärt auch, warum viel zu viele ÄrztInnen teilweise mehr als zehn Jahre auf ihren Facharzt warten müssen statt der vorgeschriebene fünf bis sechs. Natürlich könnte man theoretisch Ausbildungsinhalte transparent und objektivierbar dokumentieren. Aber das würde die Macht genau jener ChefärztInnen beschränken, die einen solchen Kulturwandel hin zu mehr Fairness und Transparenz anstoßen und durchsetzen müssten. Eine gute Beschreibung dieser Mechanismen findest du auch hier.

2) In Europa wird die maximale Arbeitszeit von Angestellten durch die EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelt – niemand darf länger als 48h pro Woche arbeiten. Niemand. Außer AssistenzärztInnen und ArbeiterInnen auf Bohrplattformen. Als Assistenzärztin wird dir deine Klinik in den meisten Fällen ein Zusatzformular zum Arbeitsvertrag vorlegen, ein sogenanntes „Opt-out“. Mit diesem verpflichtest du dich freiwillig, abhängig von der jeweiligen Klinik bis zu 90 Stunden pro Wochen ohne Freizeitausgleich zu arbeiten. Dazu kommt noch, abhängig von deiner Fachrichtung, für viele ÄrztInnen gesundheitsschädliche Nachtarbeit bis zum Ruhestand.

Ja, die Zeitungen sind voll mit Berichten über die neue ÄrztInnengeneration, die das nicht mehr dulde. Aber ganz ehrlich, die einzigen Kliniken, die dich nicht derart ausbeuten sind Fächer wie Geriatrie, Radiologie oder Psychiatrie, oder eben alle Mini-Krankenhäuser am Ende der Welt. Sobald du in einer halbwegs großen Stadt in einem Fach der direkten PatientInnenversorgung arbeiten möchtest, musst du all das meist über dich ergehen lassen.

3) Du arbeitest nicht nur viel, du wirst auch in den meisten Kliniken gezwungen sein, sehr viel zu tun, was medizinisch fragwürdig, wenn nicht gar grob falsch ist. Du wirst PatientInnen zu OPs und Interventionen überreden müssen, die ihnen gar nicht helfen können, du wirst sinnlose Diagnostik mit ihnen durchführen, du wirst sie im Auftrag deines Chefs anlügen müssen, wenn es wieder einen Behandlungsfehler zu vertuschen gilt. Alles, um den Erlös deiner Klinik und die Bonuszahlungen für deinen Chef zu steigern. Solang, bis du irgendwann selbst deinen moralischen Kompass verlierst.

4) Die Suizidrate unter jungen ÄrztInnen ist überdurchschnittlich hoch und wird gerade vor allem im englischsprachigen Raum zum ersten Mal breit diskutiert – allein in den USA bringen sich jedes Jahr 400 ÄrztInnen um, für Deutschland gibt es aktuell keine Zahlen aber zahlreiche Fallbeispiele und keinen Anhalt dafür, dass die Suizidrate hier stark von US-amerikanischen Verhältnissen abweicht.

5) Lies „House of God“ und Blogs von ÄrztInnen im Burnout nicht als Satire, sondern als subjektive Tatsachenberichte. Sie sind die verschriftlichte Weltsicht, die sich in dir breit macht, wenn du seit Monaten jeden Tag über 14h arbeitest, Schlafstörungen hast, dein soziales Umfeld in den wenigen Minuten, in denen du es siehst, aggressiv anfährst und jeden Patienten hasst, der etwas von dir will.

6) Wenn du eine Frau bist: Die Medizin ist der Wirtschaftssektor mit dem geringsten Anteil an Frauen in Führungspositionen: Gerade einmal 10% aller ChefärztInnen sind Frauen. Tendenz konstant. Wenn du eine Frau mit Ambitionen bist, dann geh lieber in die Automobilbranche. Anstatt zu helfen schüren Medizin-Professoren in der Zwischenzeit Panik vor der Frauenschwemme in der Medizin.

7) Du bist international nicht wirklich gut mobil. Um Medizin praktizieren zu können, braucht man meist sehr, sehr gute Sprachkenntnisse. Zusätzlich kann man als ausländischeR ÄrztIn in Kanada quasi gar nicht arbeiten, in den USA und Australien nur nach dem Wiederholen sämtlicher, teurer Staatsexamina, in Großbritannien bekommt man nahezu keine Stelle aufgrund des großen internationalen Andranges, ebenso bekommt man kaum eine Stelle in Österreich. In den meisten übrigen Ländern Europas verdient man als Anfänger gerade einmal 800 Euro im Monat und kann davon kaum leben. Die einzige wirklich bequeme Option: Schweiz. Aber die muss man mögen.

8) Medizin ist nicht spannend. Medizin ist Fließbandarbeit mit Menschen, an Menschen. Selbst das spannendste Fachgebiet wird sehr schnell eintönig, wenn du jeden Tag, für über 40 Jahre, immer wieder das Gleiche machst. Es gibt keine Projekte, die beginnen und abgeschlossen werden, auf die man stolz zurückblicken könnte, es gibt nur diesen niemals stoppenden Strom von PatientInnen mit ihren immergleichen Problemen. Und du kannst ihnen meist nicht einmal so helfen, wie du wölltest, denn Abrechnungsmodelle und deine eigene Zeitknappheit stehen dem im Wege.

9) Gerade als Frau in der Medizin, gerade in besonders hierarchischen Bereichen wie Chirurgie und Notfallmedizin wirst du am Anfang deines Weges sexueller Belästigung ausgesetzt sein – 50 bis 70% aller ÄrztInnen wurden in ihrem Beruf bereits sexuell belästigt – von Chefs, von Kollegen, von Patienten. Es ist nicht einfach, sich gleichzeitig im OP begrapschen zu lassen, den Sauger intelligent zu bedienen und auch noch seine Würde zu behalten.

Natürlich gibt es trotzdem viele Gründe, trotzdem Medizin zu studieren. Aber man sollte wissen, worauf man sich einlässt.

So erkennen Sie eine gute Klinik.

Wir alle kennen die Skandale, die immer wieder Kliniken erfassen – von Fliegen im OP-Besteck Mannheims bis zu tötenden Krankenpflegern in Delmenhorst. Wir haben Angst, selbst von einem Behandlungsfehler betroffen zu sein. Das deutsche System von Kliniken kann nur funktionieren, weil jede einzelne Klinik ihre Qualität nicht transparent machen muss und sich Ärzte aus Prinzip nicht gegenseitig schaden – lieber deckt man schlechte Kollegen, als sich selbst in die Schusslinie zu bringen. Wie aber können Sie als Patient eine schlechte Klinik erkennen?

1. Lesen Sie die Leitlinie für Ihre Erkrankung – in den meisten Fälle dürfte eine Leitlinie für Ihre Erkrankung existieren. Alle medizinischen Leitlinien finden Sie hier: http://www.awmf.org/leitlinien.html

Viele Herzkatheter-Untersuchungen und Operationen, die in Deutschland durchgeführt werden, sind nicht berechtigt und schaden Ihnen. Wenn Sie sich eine Zweitmeinung suchen, dann am besten von einem Arzt oder einer Ärztin, die selbst kein Interesse daran hat oder daran Geld verdienen könnte, wenn diese Behandlung bei Ihnen durchgeführt werden sollte.

2. Bezahlen Sie niemals aus eigener Tasche Prämien, nur um einen zeitigeren Operationstermin zu bekommen. Im Gegensatz: Machen Sie einen weiten Bogen um eine Klinik, die derartiges anbietet.

3. Lassen Sie sich nur in Kliniken operieren, in denen Sie vom Operateur selbst über die Behandlung aufgeklärt werden. Daran erkennen Sie die Kliniken, in denen die Oberärzte nicht derart zeitlich ausgebucht werden, um den maximalen Profit aus ihnen herauszuschlagen. An qualitativ hochwertigen Kliniken werden Sie von jenen Ärzten aufgeklärt, die auch wirklich den Eingriff an Ihnen vornehmen.

4. Kliniken versuchen Patienten zu ködern mit Faktoren, die Patienten leichter bewerten können als die medizinische Qualität selbst. Deswegen gibt es am Hamburger Uniklinikum beispielweise Stäbchenparkett und Hotel-Gastronomie. Lassen Sie sich von solchen Dingen nicht blenden – die Qualität des Essens oder die Inneneinrichtung des Wartezimmers hat nichts mit der medizinischen Qualität einer Klinik zu tun. Die Kosten für das extra Lachsröllchen werden an anderer Stelle gespart. An Ihnen gespart.

5. Reden Sie mit den Pflegenden – sie stehen am unteren Ende der Nahrungskette einer Klinik. Wenn eine Schwester für mehr als 20 Patienten verantwortlich ist, wenn es mehr Azubis als ausgebildete Pfleger gibt, dann meiden Sie diese Klinik.

6. Eine Klinik, die für eine geplante Operation sofort einen Termin frei hat, muss einem zumindest suspekt sein. Entweder Sie ist derart unterbucht, dass man sich fragen muss, warum das der Fall ist, oder aber Sie werden noch in einen ohnehin schon überfüllten OP-Plan gequetscht und werden am Operationstag bis zu zwölf Stunden ohne Essen und Trinken auf Ihre OP warten müssen. Wartezeiten für die meisten geplanten Operationen von circa vier Wochen sind ein guter Schnitt.

7. Umso mehr Krankenhausbetten pro Kopf der Bevölkerung vorhanden sind, umso abstruser und berechnender wird die Art und Weise, wie Kliniken sich gegenseitig versuchen, profitable Patienten wegzuködern und andererseits verlustreiche Fälle an benachbarte Kliniken weiterzureichen: Alle, die in Ballungszentren wie Hamburg, Berlin oder München leben: Seien Sie extra vorsichtig.

8. Wenn Sie sehr mutig sind, dann fragen Sie Ihren Operateur, ob ihm Boni gezahlt werden für das Erreichen bestimmter OP-Zahlen pro Jahr. Alle derartigen Boni sollten eigentlich abgeschafft sein, aber immer noch nutzen 70% aller Kliniken derartige Vereinbarungen mit Ihren Chefärzten, um die OP-Zahlen und damit Ihre Einnahmen hochzutreiben.

9. Verlassen Sie sich hingegen nicht darauf, was einzelne Bekannte sagen, die auch einmal in dieser oder jener Klinik behandelt wurden – die Einzelmeinungen sind oft kaum übertragbar und an einer einzigen Erfahrung lässt sich schlecht die Qualität eines Krankenhauses ablesen – im Guten wie im Schlechten.

10. Misstrauen Sie Helden. Wenn bereits fünf verschiedene Ärzte abgelehnt haben, Sie zu operieren, und plötzlich einer es doch machen würde, dann hinterfragen Sie dessen Motive. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser eine einfach nur besser und mutiger ist als alle anderen Ärzte ist sehr klein. Mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit sind sie an einen Chirurgen geraten, der einfach nur weniger Skrupel hat, seine OP-Zahlen zu steigern.

11. Differenzieren Sie. Einer der häufigsten Fehler von Patienten: Sie bewerten eine Klinik als Gesamtheit. In Wahrheit aber liegen oft Welten zwischen den einzelnen Abteilungen eines Krankenhauses – eine gute Herz-Abteilung steht im Regelfall neben einer richtig schlechten Unfallchirurgie – oder andersherum. Zu allem Überfluss ändert sich die Qualität auch oft schlagartig, wenn der Chefarzt einer Abteilung wechselt – gehen Sie also nicht davon aus, dass eine Klinik, die vor zehn Jahren gut war, immer noch gute Medizin anbietet.

12. In einer Klinik, in der Pflegekräfte und ÄrztInnen Nagellack während der Arbeit tragen, sollten Sie sich nicht behandeln lassen – in diesen Krankenhäusern wird offensichtlich das Hygienemanagement stark schleifen gelassen.